Text: Daniel Zant
„Das Beste am Damentennis sehen Sie hier. Das Beste am Herrentennis auf Dreamcast“ – nebst einem Blick unter dem Rock einer Tennisspielerin ist etwas, das nicht nur nostalgisch gesehen dem „Virtua Tennis“-Spieler die Schamesröte ins Gesicht zaubert, wenn man an die Printwerbung des Spieles zurückdenkt. Nüchtern betrachtet spricht der zweite Satz – ein schönes Wortspiel – dieser Werbung trotzdem Bände. Tennisspielen in seiner unkompliziertesten und spaßigsten Form, garniert mit einer TV-reifen Präsentation, gab es so zuvor noch nie zu sehen.
„Virtua Tennis“ war 1999 ein Arcade-Titel, der den Filzballsport von seiner kurzweiligsten Seite zeigt. Um die Spieldauer nicht zu lange zu strecken – und damit auch der Spielhallenbetreiber entsprechend monetär bereichert wird – wird in dem fünf Runden dauernden Arcade-Turnierspiel jeweils ein Satz auf zwei Spiele gespielt. Wer das Tennis-Regelwerk kennt, weiß, dass das schneller gehen kann als man Mark Philippoussis fehlerfrei schreiben kann. Schon muss man die nächste Münze nachwerfen. Also aufpassen, Asse servieren und den Aufschlag des Gegners retournieren – so wird es mit dem Turniergewinn und dem hohen Preisgeld auch etwas! Zwar standen acht echte Spieler des damaligen Tenniszirkus zur Auswahl, allerdings handelte es sich bei „Virtua Tennis“ um einen nichtlizenzierten Titel und daher griffen SEGA bzw. Hitmaker auf frei erfundene Schauplätze zurück, welche an die echten Grand Slam-Turniere angelehnt sind, bevor es im großen Finale am/im „SEGA Grand Match“ ans Eingemachte ging. Die Dreamcast-Umsetzung bot im Herbst 2000 freilich etwas mehr Content als das Arcade-Pendant und bietet neben dem Arcade-Modus eine Exhibition und einen World Circuit-Modus, der eine Karriere bis zur Spitze der Weltrangliste nachstellt. Als Zugabe gibt es acht weitere, freispielbare Tennis-Akrobaten, freischaltbare Kostüme und Schläger obendrauf. In den nun zehn vorhandenen Arenen dürfen im Karrieremodus auch in gewitzten Trainings die Finessen der Steuerung verinnerlicht werden, indem man beispielsweise am Platz befindliche Bowling-Pins niederschmettert, Bälle in Tonnen lupft oder versucht, alle Bereiche einer Wand zu bespielen. Atmosphärisch wird die exzellente Ballhatz mit fetziger Musik unterlegt, was sich zwar unpassend liest, aber die perfekte Kombination ist. Irgendwie treibt sie den Spieler so an, dass er das Letzte aus sich rausholt und auch dem unerreichbarsten Ball hinterherhechtet wie Boris Becker zu seiner besten Zeit. Nach dem etwas unrühmlichen Ende der Dreamcast wurde der Titel noch für Windows-PC, Game Boy Advance und Nokias N-Gage umgesetzt. Teil Zwei der Ballhatz war wie der Erstling ein Arcade-Feuerwerk, welches ab 2001 für Dreamcast, PlayStation 2 und Windows-PC umgesetzt wurde – und nun auch das Beste vom Damentennis, nämlich weibliche Spielerinnen, beinhaltete. Natürlich muss nicht extra erwähnt werden, dass SEGA auch hier wieder versuchte, alles größer und besser zu machen. Persönliche Präferenzen mögen darüber entscheiden, welcher der beiden Teile besser ist. Im Laufe der Jahre folgten „Virtua Tennis: World Tour“ für Sonys PlayStation Portable und „Virtua Tennis 3“ für damalige High End-Konsolen PlayStation 3 und Xbox 360 nebst PSP und Windows-PCs. In die gleiche Kerbe schlug dann auch „Virtua Tennis 2009“ inklusive Wii-Motion-Steuerung. Der bisherige Schlusspunkt auf Konsolen – wenn man das Mobilspiel „Virtua Tennis Challenge“ ausklammert – „Virtua Tennis 4“ war leider leicht unrühmlich. Hoffentlich besinnt sich SEGA auf die Stärke dieser Marke und liefert den Spielern endlich wieder leicht bekömmliche Filzball-Kost!