— ZANT.AT — Durchgezappt XL – Formel 1

Text: Steffen Anton und Daniel Zant

Am 25. November wurde beim Großen Preis von Abu Dhabi das letzte Mal die Zielflagge in der Formel-1-Weltmeisterschaft 2018 geschwenkt und ein Weltmeister gekürt. Man kann dem Rennzirkus so einiges vorwerfen, aber großartige Rennfahrer und Helden des Motorsports brachte er immer hervor. Nichts gegen heutige Spitzenfahrer wie Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton, aber wer wollte nicht schon früher der nächste Ayrton Senna, Alain Prost oder Michael Schumacher sein? Und das auch noch dazu in unkomplizierter und spaßiger Form? RETURN nimmt Sie deshalb mit in die bunte – oder doch eher asphaltgraue – Welt einiger Formel-1-Titel, die diese Träume (fast) Realität werden ließen, aus und aber trotzdem keinen Spitzenfahrer machten . -st, dz

Formel 1 in digitalen Kinderschuhen

GRAND PRIX (ATARI 2600, 1982)

Eine Formel-1-Variante für Ataris legendäre Konsole darf natürlich hier nicht fehlen. Doch genauso legendär ist auch der Schöpfer des Spiels: Es ist der allseits bekannte David Crane, welcher der Spielewelt solche Perlen wie Pitfall oder Ghostbusters beschert hat – und auch bei seinem Autorennen hat er sich nicht lumpen lassen. Natürlich muss man technikbedingte Abstriche in punkto Grafik und Sound hinnehmen. So betrachten wir das Geschehen nicht wie üblich in einer (Pseudo-)3D-Perspektive, sondern von oben. Es gibt auch keine Kurven oder Ähnliches. Dafür ist die Grafik schön bunt und diverse andere Fahrzeuge sowie Ölflecken auf der Fahrbahn sorgen für eine spannende Herausforderung.

POLE POSITION (ARCADE, 1982)

Von Pole Position sollte eigentlich jeder schon gehört, die meisten unserer Leser wohl auch zumindest die ein oder andere Portierung gespielt haben. Hier nun einige Fakten: Pole Position gilt als erste Rennsimulation mit einer real existierenden Rennstrecke, dem Fuji Speedway. Man muss sich in der Qualifikationsrunde für das Hauptrennen qualifizieren und dieses natürlich erfolgreich bestehen, was unter anderem dadurch erschwert wird, dass Wasserpfützen auf der Strecke die Geschwindigkeit bremsen. Der Nachfolger Pole Position II brachte ein Jahr später das gleiche Spielprinzip leicht verbessert auf die vierfache Anzahl an Rennstrecken.

TURBO (ARCADE, 1981)

Wenn jemand wie James Halliday in der Buchverfilmung Ready Player One ein Spiel wie Turbo als seinen Lieblings-Raser bezeichnet, dann wird das seinen Grund haben. Näher betrachtet ist es unglaublich, was Sega damals auf den Bildschirm zauberte. Die farbenfrohen Pseudo-3D-Landschaften flitzen nur so an uns vorbei, dass es eine Freude ist. Von Hochhäusern geht es über Baumalleen durch Tunnelabschnitte und weiter zu Brückenbereichen – das Ganze, ohne je ins Stocken zu geraten. Die Steuerung geschieht mittels eines maßstabsgetreuen Lenkrads, einer 2-Gang-Schaltung und einem Gaspedal. Nette Einbettung: LED-Elemente links außerhalb des Bildschirms zeigen den jeweiligen Punktestand und die Highscore-Liste an, außerdem sind seitlich der Lenkräder Anzeigen für Temperatur und Ölstand angebracht. Ziel ist es, vor Ablauf der Zeit mindestens 30 Gegner zu überholen, was von Runde zu Runde schwieriger wird. Während das Spiel am Anfang noch Kollisionen verzeiht, wird man später mit jedem Rempler zum Anfang des Rennens zurückgesetzt und man beginnt praktisch bei Null. Zwei Jahre später folgten Umsetzungen für ColecoVision und Intellivision, die das Spielgefühl sehr gut auf den heimischen Bildschirm übertrugen.

Gereifte Technik

CONTINENTAL CIRCUS (ARCADE, 1987)

In RETURN #33 haben wir dieses Spiel bereits im Zuge unserer Crossover-Rubrik genauer beleuchtet. Zur Erinnerung: Hierbei handelt es sich um einen flotten Raser – wir nehmen Platz in einer (etwas freien) Nachbildung eines 1987er Honda/Lotus-99T-Boliden, der inszenatorisch sehr gelungen ist. Ziel ist es, innerhalb von acht Rennen vom hundertsten Platz in die vorderen Ränge zu kommen, wobei pro Strecke eine Runde gefahren wird. Für jede Strecke gilt es, eine gute Zwischenposition zu ergattern (beim ersten Rennen in Brasilien z. B. mindestens den 80. Platz), von der man im Folgerennen wieder startet. Ein Zeitlimit im Nacken, welches unaufhaltsam gen Null läuft, erschwert das Vorhaben. Außerdem sollte man Kontakt mit dem restlichen Fahrerfeld oder Gegenständen vermeiden, da man dadurch nicht nur abgebremst wird, sondern im schlimmsten Fall den Wagen auch zum Explodieren bringen kann, was viele wertvolle Sekunden kostet. Das ist alles einfacher gesagt als getan, denn das Fahrerfeld lässt wenig Raum zum Überholen. Ein Arcade-Spiel der besonderen Art, das auch auf vielen Heimcomputern für Spaß sorgt – außer die MSX-Variante, die man tunlichst meiden sollte.

GRAND PRIX CIRCUIT (MS-DOS, 1988)

Genrespezialist Accolade verantwortet dieses Spiel, welches 1987 für quasi jeden seinerzeit angesagten Heimcomputer veröffentlicht wurde. Die MS-DOS-Version kam ein Jahr später auf den Markt. Technisch gesehen reiht sich Grand Prix Circuit nahtlos in die damalige Zeit ein: Auge und Ohr werden mit EGA-Grafik und Pieptönen aus dem eingebauten Speaker nicht gerade verwöhnt. Aus drei verschiedenen Fahrzeugen, welche sich unterschiedlich schwer steuern lassen, wählt man seinen Boliden aus und kann sich auf insgesamt acht Strecken austoben, darunter solch bekannte Anlage wie Hockenheim, Monza und Suzuka. Hat man sich erst einmal an die Steuerung gewöhnt, kann man mit dem Spiel durchaus einige Stunden Spaß haben.

AYRTON SENNA‘S SUPER MONACO GP II (SEGA MASTER SYSTEM, 1992)

Kein Geringerer als der viel zu früh verstorbene Brasilianer Ayrton Senna stand für die Fortsetzung von Segas Formel-1-Serie Pate. Doch wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Sie ist der Initiative der brasilianischen Firma Tec Toy zu verdanken, welche Segas Produkte für den lokalen Markt bis heute vertreibt (siehe hierzu unseren Artikel in RETURN #31). Dank dieser Kooperation stand der mehrfache Weltmeister den Japanern bei der Produktion des Spiels mit Rat und Tat zur Seite. Das schlug sich vor allem in der Spieltiefe nieder: Anstatt stupider Raserei wird dem Spieler ein gehöriges Maß an Taktik geboten. Angefangen beim Reifentyp bis hin zum Winkel des Spoilers sind viele Änderungen am Fahrzeug möglich. Technisch ist die Umsetzung einwandfrei, das Geschwindigkeitsgefühl kommt für Master-System-Verhältnisse sehr gut zur Geltung. Nur einen Zwei-Spieler-Modus vermisst man schmerzlich.

VROOM (AMIGA, 1991)

Wer es gerne schlicht und einfach mag, dabei allerdings auch der Spaß nicht zu kurz kommen sollte, der greift zu Vroom. Als Formel-1-Fahrer aus der Ich-Perspektive gilt es, im dichten Fahrerfeld so weit wie möglich nach vorne zu kommen. Durch die dargestellte Perspektive wirken das Renngeschehen ziemlich flott und Unfälle daher spektakulär. Entwickelt wurde das Spiel durch das französische Unternehmen Lankhor, der Code kommt von Daniel Macré, der sich auch beim Quasi-Vorgänger Wroom! für Sinclair QL auszeichnete. Unter dem Titel F1 erschien eine lizenzierte Adaption dieses Spiels auf Atari ST, Amiga, Mega Drive, Master System und Game Gear, vertrieben durch Domark. Außerdem erschienen noch eine Vroom Data Disk und Vroom Multiplayer. Die Engine des Spiels wurde darüber hinaus für Kawasaki Superbike Challenge verwendet.

EXHAUST HEAT (SNES, 1992)

In den USA unter dem Namen F1 ROC erschienen, macht dieser Raser von Seta mit seinen Mode-7-Effekten à la F-Zero durchaus Laune. Die Strecken bedienen sich am 1992er Kalender des F1-Zirkus. Ziel ist es natürlich, die beste Platzierung pro Rennen zu erreichen, um sich am Ende der Saison mit den meisten Punkten Formel-1-Weltmeister nennen zu können. Nach kurzer Eingewöhnung sollte das im Bereich des Möglichen liegen, vorausgesetzt, der Spieler investiert sein gewonnenes Preisgeld in sinnvolle Upgrades, die seinen Boliden schneller machen. Diese Investitionen können vor jedem Rennwochenende getätigt werden, dabei ist auch auf die richtige Bereifung zu achten. Je nach Wetterlage, die vor jedem Rennen angezeigt wird, sollte man es als seine Pflicht ansehen, hier anzusetzen. Der Bolide wirkt auf dem Bildschirm anfangs, im Vergleich zur Strecke, ein klein wenig winzig. Dies rückt spätestens ab der zweiten Strecke in den Hintergrund, so dass dem Spaß nichts mehr im Wege steht. Im Gegenteil, es bleibt somit viel Platz zum Überholen, um letztendlich aufs Siegertreppchen zu kommen. In den USA und Japan erschien noch ein Nachfolger, der sich ebenfalls sehen lassen kann.

Rennspaß in 3D

FORMEL 1 (PLAYSTATION, 1996)

Für einen Formel-1-Fan war das, was Bizarre Creations und Psygnosis 1996 auf den Schirm zauberten, eine Offenbarung. Noch nie war Formel 1, ja generell eine Sportart, zu diesem Zeitpunkt so authentisch und originalgetreu als Videospiel umgesetzt worden. Mit der offiziellen FIA-Lizenz ausgestattet, strotzte jede Pore des Spiels vor Liebe zum Detail. Alles sah zumindest grundsätzlich so aus wie bei einer echten TV-Übertragung. Von der Streckenführung über Bandenwerbung bis hin zu den Bildschirmeinblendungen – inklusive passenden Kommentaren, die in der deutschen Variante von Jochen Mass eingesprochen wurden. Und wenn wir schon von Authentizität sprechen – die 1995er Saison steht Pate, was wiederum folgendes Szenario nach sich zog: Simtek musste damals nach dem Grand Prix in Monaco die Segel streichen, und so fahren nach diesem Rennen auch im Spiel 24 statt der eigentlichen 26 Fahrer – außer der Spieler spielt einen Simtek-Fahrer, dann erweitert sich das Feld auf 25 oder 26 Fahrer (im Zweispielermodus). Apropos zwei Spieler: diese dürfen sich gemeinsam eine ganze Saison lang duellieren. Formel 1 war so erfolgreich, dass insgesamt 13 weitere Serienteile folgten, bis das Ende des Vertrags zwischen der FIA und Sony der Serie 2007 ein Ende setzte.

F-1 WORLD GRAND PRIX (N64, 1998)

Nicht-PC-Spieler staunten anno 1998 nicht schlecht, was Video System aus einer in die Jahre gekommenen 64-Bit-Architektur mit 640 × 480 Pixeln grafisch zaubern konnten: Nämlich eine F1-Rennsimulation, die sich gewaschen hatte. Alles aus dem Rennkalender 1997 war dabei und ließ Vergleichbares altbacken aussehen. Atmosphärisch beeindruckend dargestellt durften Mechaniker ihren Boliden ein klein wenig tunen und mussten mit manch Unvorhersehbarem wie Wetterwechsel oder technischen Problemen rechnen. Erfolgreich wurde der Titel anschließend auch auf andere Systeme umgesetzt und es gab noch einen Nachfolger, der den Vorgänger in vielen Bereichen hinter sich ließ. Ein dritter Teil sollte leider nicht mehr verwirklicht werden. Anspruchsvollen Lesern, die es originalgetreu mögen und welche aktuelle F1-Spiele weniger bis gar nicht ansprechen, sollten probespielen, bevorzugt die Dreamcast-Varianten.

VIRTUA RACING (MEGA DRIVE, 1994)

Eigentlich handelt es sich hierbei um kein echtes Formel-1-Spiel, stehen doch lediglich drei Fantasiestrecken zur Auswahl. Dennoch wäre es ein Frevel, Virtua Racing in dieser Auflistung unerwähnt zu lassen. Denn was Segas Techniker hier aus der zu diesem Zeitpunkt schon sechs Jahre alten Konsole herausgeholt haben, grenzt an ein Wunder. Einen Spielautomaten mit Vektorgrafik auf einer 16-Bit-Konsole umzusetzen, das schien nämlich eigentlich unmöglich. So wäre es normalerweise auch, wäre da nicht ein kleiner Zusatzchip namens SVP (Sega Virtua Processor, Anm. d. Red.) gewesen, der im Modul verbaut war. Der ermöglichte pfeilschnelle Grafiken, die man eigentlich nur von der Nachfolgegeneration des Mega Drive kannte. Jedoch kamen aufgrund des unverschämt hohen Preises von fast 300 DM damals nur wenige Menschen in den Genuss des Spiels.

FORMULA ONE GRAND PRIX (MS-DOS, 1991)

Der britischen Spielelegende Geoff Crammond haben wir Formula One Grand Prix zu verdanken, welches als erste ernstzunehmende Formel-1-Simulation gilt. Veröffentlicht wurde es 1991 für Atari ST, Amiga und MS-DOS, wobei vor allem letztere Version in Erinnerung blieb. Nie zuvor wurde ein derart realistisches Fahrerlebnis geboten, die Strecken sind bis ins kleinste Detail ihren Vorbildern nachempfunden. Dieser hohe Grad an Realismus lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass Geoff Crammond Physik studierte, bevor er in die Spielebranche wechselte. Formula One Grand Prix wurde seinerzeit mit Lob überschüttet und verkaufte sich sehr gut. Kein Wunder also, dass es zahlreiche Fortsetzungen nach sich zog. In diesen waren dann auch endlich die originalen Fahrernamen enthalten, welche in Teil 1 mangels offizieller Lizenz noch gefehlt hatten.

Mit Vollgas unterwegs

F-1 RACE (Game Boy, 1991)

Zu viert spielen zu können, jeder auf seinem eigenen Bildschirm – und das auch noch unterwegs: Was heutzutage dank Smartphone ganz selbstverständlich funktioniert und keine große technische Hürde darstellt, war Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre so etwas wie der große Traum eines jeden Schulhof-Videospielers. Vorausgesetzt, man nannte in der Gruppe genügend Endgeräte und Module sein Eigen, denn der Vierspieler-Adapter lag dem Spiel bei. Dann konnte dem Spaß nichts mehr im Wege stehen. Zehn Strecken, in denen man versuchen muss, auf das Siegertreppchen zu kommen, gilt es zu meistern. Mittel der Wahl dafür ist ein Formel-1-Bolide, aus dem man mit sogenannten Jets – Geschwindigkeitsboosts – noch das letzte Quäntchen auf dem Weg zum Ziel herauskitzeln kann. Zudem verstand es Nintendo, seine Maskottchen sympathisch einzubetten – so weit, so bekannt. Was dem europäischen Videospieler jedoch weniger bekannt sein dürfte, ist, dass es sich bei diesem Spiel um eine Umsetzung eines Famicom-Spieles aus dem Jahre 1984 handelt, das damals in etwas anderer Form in japanischen Haushalten Einzug hielt und noch zwei weitere Famicom-Nachfolger mit sich brachte.

SUPER MONACO GP (GAME GEAR, 1991)

Auch auf Segas Handheld darf man seine Runden in der höchsten Motorsportklasse drehen. Dabei handelt sich um eine Umsetzung des gleichnamigen Spiels für das Master System. Einen gravierenden Unterschied gibt es jedoch: Zwar enthalten beide Versionen dankenswerterweise einen Zwei-Spieler-Modus, jedoch ist auf dem Master System der Bildschirm immer zweigeteilt, auch wenn man gegen den Computer fährt. Beim Game Gear hat man hingegen den vollen Bildschirm zur Verfügung, denn der Modus gegen einen menschlichen Gegner wird per Link-Kabel aktiviert – das bringt Vorteile in grafischer Hinsicht. Der Nachteil: Jeder der Spieler muss im Besitz eines Moduls sein. Ansonsten gibt es bei dem Spiel wenig zu meckern.

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