Interview mit Shahzad Sahaib aka Kojote
Shahzad Sahaib, der Mitbegründer von Retroguru, nahm sich Zeit, um uns Rede und Antwort über Retroguru, aktuelle bzw. ehemalige Projekte und die aktuelle Szene in Deutschland und Österreich zu stehen.
RETURN: Erzähle unseren Lesern ein bisschen über Dich; wie kam es dazu, dass Du der Kopf von Retroguru wurdest?
Shahzad Sahaib: Ich bin schon seit Jugendjahren in der Demoszene aktiv. In meiner Anfangsphase habe ich diverse Demos und ASCII-Art verschlungen. Ebenso hatte ich schon immer einen Hang zur Spieleentwicklung. Das begann wohl so im vierzehnten Lebensjahr mit AmigaBASIC, C64 BASIC und qBasic. Im Internet stieß ich auf Giana 32k, einen Giana-Sisters-Klon in nur 32 KB. Da der Autor Myth hier einen Level-Designer suchte, meldete ich mich. Ich habe davor schon für Spiele Level gemacht, etwa mit dem Level Editor von Stunt Car Racer oder Duke Nukem 3D. Ich war also schon vorbelastet, meine eigenen Level oder Welten zu erschaffen. Durch die Zusammenarbeit mit Myth kam es auch zu einer Einladung, die Evoke in Köln zu besuchen. Dies war mein aktiver Einstieg in die Demoszene.
Was sind Deine persönlichen Aufgaben bei Retroguru?
Ich bin Mitbegründer, Ideengeber und Projektleiter. Meine Aufgaben sind organisatorischer und administrativer Natur wie Marketing, Talentscouting, Leveldesign und Beta-Testing. Das zweite Gründungsmitglied ist Rodolphe „Thor“ Boixel. Er war vor Jahren sehr aktiv in der Homebrew-Szene, vorwiegend bekannt durch Neo-Geo-Pocket-Color-Programmierung. Ihn kenne ich durch meine Aktivitäten in der Homebrew-Szene.
Eure Spiele sind digital kostenlos. Vielleicht möchtest Du etwas über Eure Ziele und Motivation erzählen?
Spieleentwicklung ist für uns alle ein Hobby. Sobald wir ernsthaft Geld damit verdienen würden, ist es kein Hobby mehr und wir würden faktisch unser eigenes Hobby zerstören. Natürlich würde Geld das eine oder andere Problem lösen, zum Beispiel die Finanzierung von physischen Releases. Im Moment probieren wir mit der physischen Version von Hermes ein kleines Polster aufzubauen, um die Sqrxz-Teile für Dreamcast produzieren zu können. Die ursprüngliche Idee, rein durch Spenden oder „pay what you want“ physische Versionen refinanzieren oder herstellen zu können, funktioniert leider nicht.
Der Großteil des Teams arbeitet rein ehrenamtlich, was jeder einzelnen Person sehr hoch anzurechnen ist und in mir tiefste Dankbarkeit und Respekt auslöst.
Was ist Eure Lead-Plattform und für welche Systeme gibt es Portierungen?
Die Lead-Plattform ist eindeutig Windows, da hier einfach der Entwicklungskomfort groß ist. Welche Portierungen möglich sind, hängt von der Verfügbarkeit von libSDL1 ab. Durch den Einsatz dieser Cross-Development-Library sparen wir uns sehr viel Zeit. Faktisch überall, wo man libSDL1 hat, kann man in kürzester Zeit ein Retroguru-Spiel portieren.
Ich würde den Aufwand pro Port auf einen halben Tag schätzen. Bei einer Handheld- oder Konsolenportierung kann es mitunter geringfügig länger dauern, da man hier die Konfiguration der verfügbaren Input-Geräte beachten muss.
Welcher Zeitaufwand fließt durchschnittlich in ein Projekt?
Wir machen vieles in unserer Freizeit, entsprechend lange dauern auch möglicherweise simpel aussehende Spiele. Im Schnitt würde ich auf zwischen zwei und fünf Jahre tippen. Es kann sein, dass einem zwischendurch die Inspiration fehlt und dann Teile einfach unfertig herumvegetieren. Srqxz 2 war in weniger als drei Wochen unter Dach und Fach. Das waren gerade zeitlich günstige Umstände, da jeder im Team Urlaub hatte. An Giana’s Return haben wir aktuell wieder zu Feilen angefangen. Hier gibt es ein kleines Update auf den aktuellen Stand unserer Engine und in weiterer Folge wird es eine Wiederverwertung für ein neues Projekt geben.
Was gibt es bei den Portierungen generell zu berücksichtigen?
Kurz zusammengefasst: Durch den Einsatz von Pixelgrafik (zwischen 32 und maximal 256 Farben), Amiga-Protracker-Modulen und portablen ANSI C (Standardisierte Programmierung in C) in Verbindung mit libSDL hat man die beste Ausgangslage, nicht für jedes System alles neu machen zu müssen. Um die 200 MHz sollte das System auch haben, da es sonst knapp mit der Performance wird.
Warum bedient Ihr so viele exotische Geräte? Besteht auch die Möglichkeit, dass Ihr für andere Geräte wie GBA, GBC, Game Gear, Lynx, NeoGeo oder auch aktuelle Next-Generation-Systeme programmiert?
Multiple Ports sind mittlerweile unser Steckenpferd geworden. Ich fand es schon immer sehr unfair, wenn ein gutes Spiel nur auf einem bestimmten System veröffentlicht wird. Betriebswirtschaftlich natürlich ein großartiger Aufhänger, um sein System und sein Spiel zu verkaufen. Andererseits betreibt man als Entwickler den massiven Aufwand, ein hoffentlich gutes Spiel zu programmieren, schränkt aber automatisch die Reichweite ein – aus künstlerischer Sicht eine absolute Katastrophe. Musik will gehört und Grafik gesehen werden – und das nicht nur auf einem System. Die genannten Systeme müssen aufgrund der Performance direkt programmiert werden. Wir schummeln mit dem Einsatz von libSDL1 ja ein wenig und sind daher auch von dieser Verfügbarkeit für ein System abhängig. Mit Frank „phx“ Wille haben wir allerdings einen 68k-Assembler-Experten an Bord (Sqrx 1-4 für Amiga OCS). Für Next-Generation-Systeme müsste man offizieller Entwickler sein, das wäre eher unwahrscheinlich und aufgrund der notwendigen Lizenzierung auch kostenintensiv.
Wie akquiriert Ihr neue Entwickler für Euer Team? Kommen Entwickler auf Dich/Euch zu oder umgekehrt?
Wer mitmachen kann oder meint, etwas Gutes beitragen zu können, um unsere Vision von Retrospielen für unterschiedlichste Systeme zu realisieren, ist gerne willkommen. Natürlich muss die Harmonie zum bestehenden Team da sein, das merkt man dann relativ schnell, wenn man die ersten Chats hatte und die Arbeit des „Bewerbers“ begutachtet hat. Ich habe sehr lange nach einem HaikuOS-Programmier gesucht und jetzt haben wir mit Mizsei „miqlas“ Zoltán den aktuell letzten Zuwachs im Porting-Team. Warum sollte man auch nicht etwas weniger bekannte Betriebssysteme unterstützen und mit Spielen versorgen? Wenn jemand von euren Lesern mit libSDL für Systeme arbeitet, die wir noch nicht unterstützen, bitte unbedingt bei mir melden. Wir freuen uns über jede Verstärkung!
Gab es bisher frustrierende Erlebnisse?
Höhen und Tiefen gibt es überall. Kürzlich hat unser Team-Member Denny „Mulle“ Müller zwei Seiten entdeckt, die einen Dreamcast-Bootleg von Giana’s Return für teuer Geld verkaufen. Das liegt einem doch im Magen. Man verdient selbst nichts, aber jemand anderes greift zu. Besser ist es allemal, auf die offizielle physische Version zu warten, wenn wir eine machen dürfen.
Mal weg von Retroguru: Du bist in der Retroszene auch noch in anderen Bereichen umtriebig – erzähle bitte was Du sonst noch so machst.
Ich betreibe seit Jahren die Seite pdroms.de, welche sich mit unlizenzierter Konsolen- und Handheld-Software auseinandersetzt. Zusätzlich schreibe ich für das RETRO Magazin bzw. mittlerweile fast nur noch für den Online-Blog. Unsere Retroguru-Spiele veröffentlichen wir hauptsächlich im Rahmen von Demoparties mit Gamedevelopment-Competition. Ich bin schon seit über 20 Jahren ein Demoszene-Junkie und bereue nichts. Hier werden System-Limitationen noch bis aufs Letzte ausgereizt. Maximum Output mit wenigen Mitteln. In der Demoszene gehöre ich aktuell zur Gruppe Speckdrumm. Zu meinen ehemaligen Gruppen gehören Sueño, ByTeGeiZ, Brainwank und Scoopex.
Wenn wir schon beim Thema sind: Was hältst Du von der Retroszene und Demoszene im deutschen sowie österreichischen Raum?
Ich versuche mich eigentlich eher im Hintergrund zu halten. Jede Szene hat ihre Player und ihre Dramen. Da ich als zweifacher Familienvater ohnehin recht wenig Zeit habe, bin ich auch nicht wirklich darauf versessen, hier etwas zu ändern. Gelegentlich bin ich für Retroguru auf Veranstaltungen. Die Demoszene in Österreich ist eher kränklich. Viele Szener sind in Wien, haben mittlerweile auch ein Alter erreicht, in dem man Dinge langsamer angeht. Allerdings muss ich auch gestehen, dass meine Aktivität in der Demoszene stetig weniger wird. In Österreich waren ohnehin hauptsächlich nur Surprise!Production, Scoopex und Speckdrumm aktiv. In Deutschland ist die Aktivität der Demoszene extrem hoch, darauf muss man nicht unbedingt extra eingehen.
Ist der Zugang zur Retro- und Demoszene in Salzburg einfach?
Salzburg ist in dieser Hinsicht ein weißer Fleck auf der Landkarte. Leider sind viele Veranstaltungen doch etliche Kilometer weit weg. Die größte reine Demoparty in Europa ist derzeit die Revision, jährlich über Ostern in Saarbrücken. Das ist zwar Luftlinie schnell, aber wenn man einmal unterwegs ist, eine halbe Weltreise. Die Gaming- und Retroszene wird in Österreich stetig aktiver. Es gibt Engagements in Linz (Stefan Schraml) und auch in Wien (Mark Guttenbrunner, Andranik Ghalustians). Graz und Umgebung könnte man als Retrokeimzelle bezeichnen, bringt doch Georg Fuchs regelmäßig das Magazin Lotek64 heraus. Außerdem gibt es mit dem Button-Festival auch eine feine Veranstaltung, die sich kein Österreicher entgehen lassen sollte. Hinzu kommen noch die Game City in Wien, die allerdings sehr kommerziell angehaucht ist. Retro- und Indiefreunde sind bei der PLAY Austria besser aufgehoben. Im benachbarten Bayern gibt es das VCFE in München, zwei Retrobörsen, die RETROpulsiv in Augsburg und sogar das Chiptune-Festival „Chip Hits the Fan“ von Hannes „IRQ7“ Fertala. Kurzum, nichts ist um die Ecke, aber einige Veranstaltungen von Interesse gibt es in akzeptabler Reichweite.
Shahzad, abschließende Frage: Mit welchen Systemen bist Du eingestiegen und auf welchem arbeitest Du am liebsten?
Mein erster Computer war ein Amiga 500 mit 1 MB RAM. An dieser Stelle ein Danke an Mama und Papa, die mir dieses damals wirklich sehr teure Ding gekauft haben. Ich glaube, damit wurde der eigentliche Grundstein für Retroguru gelegt. Ich persönlich arbeite auf einem Windows-Rechner, sehe mir aber gerne regelmäßig diverse Linux-Versionen an. Haiku OS hat es mir in letzter Zeit auch angetan.
Vielen Dank für das Interview!
Bitte gerne. Weiterhin viel Spaß mit unseren Games.