Text: Daniel Zant
Laut dröhnen die Motoren auf, als es 1987 heißt „Gentlemen, start your engines! 30 seconds before the start!“ und die Ampel auf Grün schaltet. Wir überholen gegnerische Fahrer fast im Sekundentakt, vor uns sehen wir, wie in einem Zweierduell ein Rennwagen einen Unfall hat und die Reifen und Einzelteile des betroffenen Boliden uns um die Ohren fliegen. Überholmanöver links, Überholmanöver rechts und dann mitten zwischen zwei Gegnern hindurch, wir lassen ihr Motorengeheul an uns vorbeiziehen. Rasant, opulent und spektakulär dargestellt versuchen wir im Feld so weit wie möglich nach vorne zu kommen, um uns für das nächste Rennen zu qualifizieren. Und wenn wir die Ziellinie erreicht haben, heißt es kurz durchschnaufen, um wieder beim nächsten Rennen mit vollem Adrenalin das Beste zu geben! Willkommen im Continental Circus.
In den 80ern gab es viele Spiele, deren Werbetexte klar machen sollten, dass wir uns auf ein intensives Erlebnis einstellen könnten und von noch nie geahnten Effekten in ihren Bann gezogen würden. Und auch die Einleitung dieses Crossover-Artikels lässt vermuten, dass sich der Autor von einem solchen Werbetext hat anstecken lassen. Das können wir zwar dementieren, aber eines stimmt: Ein Erlebnis wie Continental Circus findet man so schnell kein zweites Mal. Das liegt unter anderem an der Präsentation, den Effekten und vielleicht auch an der 3D-Brille. Aber eins nach dem anderen.
Worum geht es? Nun, natürlich geht es darum, mit seinem Fahrzeug so schnell wie möglich das Ziel zu erreichen – selbstverständlich vor den konkurrierenden Mitfahrern und auch gegen die Zeit. Aber irgendwie sticht das Spiel präsentationstechnisch trotzdem aus der damaligen Rennspielmasse heraus. Erklärtes Ziel ist es, der beste Rennfahrer der Formel 1 zu werden. Continental Circus gibt uns dazu acht Rennen Zeit (siehe Infobox „Die Rennstrecken“). Wir beginnen im ersten Rennen auf Platz 100 – schlechter geht es nicht, selbst wenn wir von weiteren Kontrahenten überholt werden – und müssen uns innerhalb der acht Rennen auf Platz 1 vorkämpfen. Jedes Rennen stellt so etwas wie eine Zwischenetappe dar, so dass wir im ersten Rennen zumindest den 80. Platz belegen müssen, um uns für das nächste Rennen zu qualifizieren, im zweiten Rennen benötigen wir Platz 60 und so weiter bis wir im letzten Rennen zumindest in die Top 3 fahren müssen, um das Spiel erfolgreich abzuschließen. Zusätzlich läuft ein Timer gen Null, der sich nur durch das Durchfahren von Checkpoints wieder auffüllen lässt – jede Strecke hat eine unterschiedliche Anzahl solcher Checkpoints. Schaffen wir es also nicht vor Ablauf des Timers ins Ziel bzw. sind wir bei Zieleinfahrt nicht ausreichend gut platziert, ist das Spiel zu Ende, außer wir sorgen mit weiteren Credits dafür, dass uns weitere Chancen gegeben werden. Der Vorteil hierbei: Wir müssen nicht wieder vom schlechtestmöglichen Platz aus starten – also im ersten Rennen vom 100. Platz – sondern behalten die Position bei, die wir zuletzt vor dem Game Over hatten. Beispiel: Haben wir Platz 88 im Ziel belegt oder der Timer hat auf Platz 84 unser Spiel beendet, dann starten wir auch aus jener Position, also im ersten Fall auf Platz 88 und im letzteren auf Platz 84. So viel zum Regeltechnischen.
Generell wirkt das Geschehen sehr farbenfroh und hell. Das Spiel lässt seine Grafikmuskeln spielen, sieht hübsch aus und gefällt mit sehr vielen Spezialeffekten. Schon das Intro läßt uns über eine Rennstreckenlandschaft und durch einen Tunnel bis zum markanten Titelbild-Schriftzug fliegen; das macht schon einiges her! Oder wenn Gegner einen Unfall haben und deren Fahrzeuge in Fetzen zerlegt werden, kann es schon mal passieren, dass Einzelteile quer über den Bildschirm in Richtung Spieler fliegen. Generell geizt das Spiel nicht mit Pop-Out-Effekten, zum Beispiel, wenn wir durch einen Checkpoint fahren und uns das mit den entsprechenden Lettern angezeigt wird, es also so aussieht, als würden Buchstaben mitten im Raum fliegen. Und die Rennstrecken sind natürlich nicht nur flach, in Monaco zum Beispiel rasen wir durch einen Tunnel, in Suzuka über eine Brücke. Das alles wirkt mit bereits erwähnter 3D-Shutter-Brille noch ein Stück beeindruckender.
Die Kurse sind echten Rennstrecken der damaligen Zeit grob nachempfunden, man darf aber in Monaco zum Beispiel keine realitätsgetreuen Haarnadelkurven und dergleichen erwarten. Obwohl es sich um Rundkurse handelt, wird hier dem Spieler das Fahren „von A nach B“ suggeriert, da nur jeweils eine Runde pro Kurs gefahren wird. Ein optisch charakteristisches und auffälliges Merkmal ist der groß dargestellte F1-Bolide, den man als Spieler steuern darf. Hierbei handelt es sich um eine Inspiration eines von Camel gesponserten 1987er Honda/Lotus-99T-Rennwagens, der im selben Jahr in der echten Formel 1 von Sato Nakajima und dem späteren Dreifach-Weltmeister Ayrton Senna gefahren wurde, der damit in dieser Saison einige Siege erringen konnte. Ferrari fahren sollen doch bitteschön andere!
Außerdem prominent gesetzt sind die Ziffern im oberen Bildschirmviertel, die uns groß darstellen, an welcher Position wir zur Zeit liegen, welche Position wir zumindest erreichen sollten und wie viele Sekunden uns noch bleiben, bevor wir den nächsten Checkpoint oder das Ziel erreichen sollten. In kleinerer Schrift werden Punktezahlen und die aktuell gefahrene Geschwindigkeit angezeigt. Weiterhin zu beachten ist, dass unser Bolide bei Berührung eines Kontrahenten oder eines anderen Gegenstandes am Streckenrand zu rauchen beginnt. Lässt man diesen Schaden unbehandelt, entwickelt sich daraus Feuer, welches im weiteren Verlauf den Wagen explodieren lässt. Im rauchenden oder feurigen Zustand reicht außerdem eine weitere Berührung mit einem Fremdkörper, um den Wagen ebenfalls spektakulär zur Explosion zu bringen. Es ist mehrmals pro Rennstrecke möglich, einen auf der linken Fahrbahnseite befindlichen Boxenstopp in Anspruch zu nehmen, wo der Wagen wieder instand gesetzt wird – der Timer ist so gnädig und zählt während des Boxenstopps nicht weiter herunter. Allerdings kann es schon mal passieren, dass in der Zwischenzeit zwei oder drei Kontrahenten an uns vorbei ziehen, die wir wieder mühsam einholen dürfen, um sie anschließend zu überholen. Ab und an zieht auch Regenwetter auf, was die Strecke leicht rutschig macht, da ist es ebenfalls empfehlenswert, mit einem Boxenstopp auf Regenreifen zu wechseln. Generell ist man dazu angehalten, flott zu fahren. Sollte die Geschwindigkeitsanzeige aber fast an ihre Grenzen kommen und auf gelb wechseln, kann es passieren, dass man in Kurven weniger Grip hat oder bei einem Auffahrunfall spektakulär durch die Lüfte fliegt, der Wagen sich in seine Einzelteile verabschiedet und man dadurch wertvolle Zeit verliert.
Getreu dem Motto „Wer bremst, verliert“ ist die Steuerung des Automaten aufgebaut, denn ein Pedal, das ein solches Manöver veranlassen würde, wurde eingespart. Das heißt, wir haben zur Steuerung unseres Boliden ein Lenkrad, ein Gaspedal, von dem wir ab und zu ablassen müssen und eine Zwei-Gang-Schaltung. Das alles entweder in einem Upright-Cabinet oder Sit-Down-Modell, manchmal mit und manchmal ohne 3D-Shutter-Brille. Abgesehen vom oben Erwähnten überzeugt auch noch der Stereo-Sound, dieser unterstützt überzeugend das Gefühl, tatsächlich an den anderen Vehikeln vorbei zu rasen. Für die musikalische Untermalung sorgt die studiointerne Band Zuntata – welche unter anderem auch die Scores zu Bubble Bobble oder zur Darius-Serie lieferte – allerdings nur zwischen den Rennen oder bei einem Boxenstopp. Bei letzterem empfindet der gehetzte Rennfahrer eine Art seelische Erleichterung durch die Musik, wenn das Auto durch die Mechaniker wieder instand gesetzt wird, nachdem man in Furcht leben musste, dass es den Wagen jederzeit in Stücke hätte reißen können. Dabei kann man im Hintergrund vernehmen, dass das Boxenstopp-Personal Kommandos gibt. Sprachausgabe gibt es somit auch zwischendurch und nicht nur, wie in der Einleitung erwähnt, beim Start eines jeden Rennens.
Genug von der Technik gesprochen, macht das Spiel auch Spaß? Und wie! Auch wenn das Spiel nicht alles perfekt macht, überzeugt das Gesamtkonzept und weiß seine Stärken auszuspielen. RETURN empfiehlt auf jeden Fall, eine Partie zu wagen, sollte der selten gesehene Automat einem irgendwo tatsächlich einmal unter die Nase kommen. Und wenn es das Glück zulässt, vielleicht sogar in 3D mit entsprechender Shutter-Brille. -dz
DIE TECHNIK DES ARCADE-CABINETS
Taito Z System Hardware
Main CPU: 2× Motorola 68000 (12 Mhz)
Sound-CPU: Zilog Z80 (4 Mhz)
Sound-Chips: Yamaha YM2610 (8 Mhz)
Erschienen: 1987 – 1988