Frühe 90er
Text: Daniel Zant
Willkommen zurück zu unserer Geschichte der Wrestling-Games. Während es in der ersten Runde um die Anfänge der Wrestling-Spiele in den 80ern ging, beschäftigen wir uns in Runde 2 mit dem Übergang bis in die Mitte der 90er und werfen einen Blick auf einen gelungenen Strategie-Simulator. Ring The Bell!
Nachdem sich das Vermarkten der WWF-Lizenz als lukrativ erwiesen hatte, wollte die aus der NWA hervorgegangene World Championship Wrestling (WCW) auch etwas vom Kuchen abhaben und ließ ebenfalls ein Spiel unter ihrem Banner lizenzieren. Dieses hieß schlicht World Championship Wrestling und war eine Umsetzung vom 1989 in Japan veröffentlichten Super Star Pro Wrestling von Nihon Bussan / Fujisankei Communications Int. Das Spiel erschien ausschließlich in Nordamerika für das NES.
Im Herbst 1990 hielt dann das erste tragbare Wrestling-Game auf dem Game Boy Einzug. Hierbei handelte es sich um HAL Wrestling von Human Entertainment, eine mobile Umsetzung der Fire-Pro-Wrestling-Serie. Bemerkenswert an dieser Serie ist, dass das Grafikset bis zum Xbox-360-Release des 2012er-Teils stets in 2D gehalten wurde und manch anderer Teil der Serie einen West-Release erhielt. HAL Wrestling war dabei der erste Teil dieser Serie, der auch in Europa erhältlich war – doch danach dauerte es ziemlich lange, bis ein weiterer Teil auf dem europäischen Markt veröffentlicht wurde.
Am NES tat sich auch einiges: Tecmo World Wrestling legte die Latte für NES-Games noch ein Stückchen höher und bot perfektes 8-Bit-Wrestling-Gameplay.
Acclaim wiederum, welche 1990 einen Großteil an LJN erwarben und bis 1994/95 unter diesem Label Wrestling-Spiele veröffentlichten, ließen bei Rare WWF Wrestlemania Challenge für NES produzieren. Und kurz darauf erschien auch das erste tragbare lizenzierte Wrestling-Spiel WWF Superstars für den Game Boy.
1991 und 1992 wurden alle gängigen Heimcomputer-Systeme (Amiga, Amstrad CPC, ST, C64, DOS, ZX Spectrum) von Ocean Software letztmals mit einer WWF-Lizenz versorgt: Mit WWF Wrestlemania und, im Jahr darauf, WWF European Rampage Tour ‒ letzteres allerdings ohne Unterstützung für CPC und Spectrum, dafür mit einem kurzen Ausflug nach München in die „Deutsche Nationale Arena“. Das Ergebnis wirkte bemüht, insgesamt muss man auch diese Titel nicht gespielt haben. Den Abschluss für Wrestling-Spiele am Amiga machten American Tag-Team Wrestling von Zeppelin Games und Top Wrestling von Holodream, beide kamen aber ohne Lizenzen.
Ebenfalls 1991 erschien der Nachfolger zu Technos WWF-Superstars-Arcadeautomat von 1989 (siehe die erste Runde in Ausgabe 33 der RETURN): WWF Wrestlefest verbesserte den ohnehin schon guten und spaßigen Prügler in allen Belangen. Dieses Spiel hat auch Jahre später immer noch einen so positiven Zuspruch, dass es unter anderem 2012 eine Umsetzung mit aktualisiertem Kader für iOS erfuhr. Das Game bestach mit den damals feinsten Einzugs-Animationen, sauberer Grafik und weichem Scrolling. Man konnte sogar einen Battle Royal mit bis zu sechs Wrestlern gleichzeitig im Ring bestreiten. Ausgelegt war der Automat für vier Spieler gleichzeitig.
Wrestling-Erlebnisse auf Konsolen in 16 Bit
Auf Konsolen ging es ab 1992 richtig los: Für Master System, Mega Drive, Game Gear und NES erschien WWF Wrestlemania: Steel Cage Challenge von LJN, welches zum ersten Mal in der Geschichte von Wrestling-Spielen Kämpfe in Stahlkäfigen erlaubte. Dabei wird rund um den Wrestling-Ring eine Umzäunung aufgebaut und die Flucht aus diesem ist eine alternative Möglichkeit zum üblichen Pin, um einen Kampf für sich zu entscheiden – ein Auszählen ist hier klarerweise nicht möglich.
Im gleichen Jahr erschien WWF Super Wrestlemania für SNES und Mega Drive. Abgesehen von einer, für damalige Konsolen-Verhältnisse, ordentlichen Präsentation ‒ immerhin war es das erste Wrestling-Spiel für 16-Bit-Konsolen ‒ war ein weiteres Merkmal die Einführung des sogenannten Tug-Of-War-Style-Grappling-Systems, welches als äußerst spaßiges Element eine Besonderheit der Reihe war. Dieses System erlaubte es nicht nur, Schläge, Tritte und Moves auszuführen, sondern auch den Lock-Up. Dabei handelt es sich um eine typische Position, bei der beide Wrestler versuchen, aus einem gleichzeitigen Griff an die Schulter des Gegners einen Kräftevorteil zu erzielen. Um diesen Vorteil zu erhalten, musste man so schnell wie möglich auf die Buttons hämmern, bis der eigene Kämpfer als Sieger aus diesem Lock-Up hervorging. Je nachdem, welchen Knopf man rhythmisch malträtierte, ergab sich daraus immer ein anderer Move. Der Höhepunkt dieses Spiels war ein 4vs.4-Survivor-Series-Kampf. Der Nachfolger WWF Royal Rumble im Folgejahr konnte alle positiven Eigenschaften dieses Spiels vollkommen für sich nutzen und sinnvoll erweitern. Hier konnte man nicht nur alle verfügbaren Modi aus WWF Super Wrestlemania spielen (abgesehen vom Kampf Vier gegen Vier), sondern auch einen äußerst spaßigen Royal Rumble, wobei alle zwölf verfügbaren Wrestler zum Einsatz kamen und sich maximal sechs davon gleichzeitig im Ring befinden konnten. Dieser Modus, zusammen mit dem Tug-Of-War-Style-Grappling-System, einer tollen Präsentation und der generell unkomplizierten Steuerung, mit der auch Finishing Moves sehr einfach durchgeführt werden konnten, war eine unschlagbare Kombination. Sie sollte daher das Spiel bzw. die Umsetzung für das Sega CD namens WWF Rage In The Cage und den Nachfolger WWF RAW (Game Boy, SNES, Game Gear, Genesis, 32X) auf Jahre hinweg zum beliebtesten Wrestling-Spiel machen.
Zwischenzeitlich erschien für den Game Boy WWF Superstars 2, der Nachfolger für das erste tragbare Wrestling-Spiel mit WWF-Lizenz, welches insgesamt auch besser als sein Vorgänger sein wollte und das in vielen Belangen auch schaffte. Zwar konnte es die sauberen Animationen des Erstlings nicht ganz erreichen, dafür aber mit verschiedenen Matchoptionen glänzen: Unter anderem konnte man nun auch unterwegs erstmals in einem Stahlkäfig kämpfen.
1994 meldete sich auch Fujisankei Communications Int. mit WCW-lizenzierten Spielen zurück (das erste und bis dahin einzige war World Championship Wrestling, 1990 für NES): WCW The Main Event für den Game Boy, welches das erste WCW-Lizenz-Spiel für unterwegs war. Kurz darauf erschien WCW SuperBrawl für das SNES – danach wanderte die Lizenz dieser Wrestling-Liga zu THQ, die dann in der 32-Bit-Welt mit dieser Lizenz so manch gutes Spiel auf den Markt brachten. Natsume versuchte 1994 ebenfalls im Westen Fuß zu fassen und probierte mit Natsume Championship Wrestling in Nordamerika ihr Glück – Europäern blieb dieses Spiel, bis zur Veröffentlichung 2011 auf der Wii Virtual Console, verwehrt. Erwähnenswert ist das Spiel, weil es damals offiziell das einzige Wrestling-Spiel in Nordamerika war, welches den Nippon-Wrestling-Stil mit all seinen Facetten abbildete, während es am japanischen Markt von Dutzenden solcher Spielen wimmelte, die es nie in den Westen schafften. Natsume Championship Wrestling ist eine lose Umsetzung des in Japan erhältlichen Zen-Nippon-Pro-Wrestling-Teils Dash: Sekai Saikyo Tag.
Adam Rylands Extreme-Warfare-Serie
1995 war der Start einer Manager-Simulations-Reihe für PC, die sich unter Wrestling-Fans größter Beliebtheit erfreut: Extreme Warfare von Adam Ryland. Die eigentliche Idee von Adam Ryland war ein Kartenspiel. Als er aber schnell merkte, dass das System zu komplex für ein Kartenspiel war, wechselte er auf ein elektronisches Spiel. Der erste Teil wurde in Qbasic programmiert, wechselte jedoch im Laufe der Serie auf Turbo Pascal, da er mit Qbasic schnell an seine Grenzen stieß.
Die Spielereihe kommt generell ohne Lizenzen daher. Ab den kommerziellen Teilen, welche noch folgen sollten, ist es allerdings möglich, inoffizielle Patches mit den originalen Namen der Wrestler einzuspielen.
Einen wichtigen Punkt setzte Extreme Warfare Deluxe im Jahr 2001. Damit war es nun möglich, Wrestler nicht nur in deren tatsächlichen Ligen zu managen, sondern auch darüber hinaus in andere Ligen wechseln zu lassen.
Nach diesem Teil wechselte Adam Ryland zu Visual Basic um das letzte Quäntchen seiner Vorstellungen umsetzen zu können. Das Ergebnis war ein Jahr später Extreme Warfare Revenge mit noch mehr Freiheiten im kreativen Prozess für die Gamer. Außerdem wurden kleine US-Ligen eingebaut, womit nun auch Fans abseits der großen Promotions zufrieden gestellt wurden. Zudem wurden weitere kleine Features integriert, die generell alle Smarks zufrieden stellen sollten (Backstage-Politik, Einstellungen der verteilten Gimmicks etc.).
Nachdem das Projekt Extreme Warfare nun schon so riesig war, dass Adam Ryland das nicht mehr nur auf Hobby-Basis stemmen konnte, entschied er sich dazu, mit .400 Software Studios eine Kooperation einzugehen, um einen kommerziellen Betrieb zu forcieren. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war Extreme Warfare 2004. Dank des professionellen Vertriebs wurde das Spiel noch ein Stück größer und umfasste nun ebenfalls die Wrestling-Territorien von Japan, Mexiko, dem Vereinigten Königreich und Australien. Das Layout des Spiels wirkte runder, viele Fehler, die die Gamer in den vorhergehenden Teil serienmäßig zu ihren Gunsten ausgenutzt haben, wurden ausgemerzt. Nun ging es Schlag auf Schlag, das Spiel wurde von Total Extreme Warfare 2004 in Total Extreme Wrestling 2004 umbenannt, Adam Ryland wanderte mit Arlie Rahn und Gary Gorski von .400 Software Studios wegen Ungereimtheiten ab und gründeten Grey Dog Software, welche sich auf amerikanische Sportspiele konzentrierten (Wrestling/ MMA, Basketball, Football). Bis 2016 erschienen sechs weitere Teile von Total Extreme Wrestling unter der Flagge von Grey Dog Software – und es ist kein Ende in Sicht. Außerdem wurde mit der Wrestling- Spirit-Serie ein weiteres Standbein entwickelt, welches, verglichen mit Total Extreme Wrestling, einen etwas anderen Ansatz verfolgt.
Und mit diesem Exkurs in die Simulationsreihen des Wrestlings endet die zweite Runde. Die dritte und letzte Runde wird sich als Abschluss mit den moderneren Wrestling-Spielen ab 1995 beschäftigen. Stay tuned! -dz